Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Abwarten, Grüntee trinken und gesünder leben?

Grüntee – insbesondere der Trendvariante Matcha Tee – wird eine gesundheitsförderende Wirkung nachgesagt. Zumindest für gewöhnlichen Grüntee könnte teilweise etwas dran sein.

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Kann Grüntee die Wahrscheinlichkeit beeinflussen, frühzeitig zu sterben und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken?

Ist Matcha-Tee besonders gesund?

Über die Gesundheitseffekte von speziellem Matcha fehlen aussagekräftigen Studien. Es gibt jedoch einige Hinweise darauf, dass Grüntee im Allgemeinen die Wahrscheinlichkeit verringer könnte, frühzeitig zu versterben, insbesondere durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

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© Brent Hofacker - fotolia.com Matcha: Der Trendkönig unter den Grüntees, aber auch gesund?
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In Japan kommt für die Teezeremonie nur das Beste in die Schale: fein gemahlener Matcha-Tee. Wie es das Ritual verlangt, wird das Heißgetränk mit einem Bambusbesen schaumig geschlagen. Trotz des bitteren Geschmacks gilt Matcha als Gaumenschmeichler.

Vielfältiger Genuss in Grün

Mit der Beschaulichkeit und Schlichtheit im japanischen Teehaus hat der aktuelle Matcha-Boom in Europa nur wenig zu tun. Der pulverisierte Tee kommt hierzulande nicht nur ins Häferl, sondern er würzt auch Säfte, Schokolade, Eis und Gebäck. Auch Kaffeehaus-Ketten verfeinern damit ihre Produkte. Kein billiges Vergnügen – schließlich braucht es für die Herstellung dieses speziellen Grüntees aufwändige Anbau-, Ernte- und Verarbeitungsverfahren. [7]

Kulinarisch interessant ist der intensiv gefärbte Tee allemal. Doch kann er auch die Gesundheit fördern, wie immer wieder spekuliert wird? Wirken sich etwa die im Matcha enthaltenen Catechine positiv auf die Gesundheit aus? Dazu lassen sich leider keine Aussagen treffen, da gute Untersuchungen zu Matcha im Speziellen fehlen. [7]

Trinken hält gesund?

Besser sieht die Datenlage für Grüntee im Allgemeinen aus. Diverse Sorten gehören schon lange zur Tischkultur in Japan, China und Indien. Dies macht(e) es möglich, im asiatischen Raum Beobachtungsstudien mit der Bevölkerung durchzuführen und Daten zu möglichen Gesundheitseffekten zu sammeln.

Tatsächlich zeigen die zusammengefassten Ergebnisse von Beobachtungsstudien, dass passionierte Grüntee-Trinker im Durchschnitt länger leben – scheinbar, da sie seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt versterben [2,3].

Unklar: Ursache und Wirkung

Beobachtungsstudien liefern also durchaus interessante Hinweise; und das Thema verdient Beachtung. Immerhin sind Herz-Kreislauf-Krankheiten sehr häufig. Etwa 17 Millionen Menschen sterben jedes Jahr daran. [1]

Es wäre natürlich ideal, mit einem weithin bekannten, wohlschmeckenden, kalorienfreien und günstigen Lebensmittel gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorgehen zu können. Jedoch: Eine hundertprozentig belegte Ursache-Wirkung-Beziehung à la ‚Grünteekonsum schützt vor Schlaganfall, Herzinfarkt und Co’ lässt sich aus diesen Beobachtungsstudien nicht ableiten.

Reaktionen auf Grüntee

Deutlich besser geeignet für die Analyse von Aktion (Teetrinken) und Reaktion (Gesundheitseffekte) sind randomisiert-kontrollierte Studien, kurz RCTs. Vier aktuelle Übersichtsarbeiten [1] [4-6] haben die besten verfügbaren RCTs zusammengefasst.

Deren Auswertung lässt tatsächlich Hoffnung für die – vorsichtige – Annahme, dass Grüntee manche Risikofaktoren von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beeinflussen kann, d. h. möglicherweise günstig auf Cholesterin- und Blutdruckwerte einwirkt. Darüber, ob Grünteetrinker tatsächlich seltener erkranken, ist aus diesen Arbeiten aber nichts zu erfahren.

Keine Empfehlungen, keine Warnungen

Es ist aufgrund der aktuellen Studienlage also nicht möglich, konkrete Empfehlungen für den Teekonsum abzugeben. Wir wissen nicht, was genau die Substanzen aus dem Grüntee in unserem Körper tun – und welche Mengen einen positiven Gesundheitseffekt auszulösen vermögen.

Weiters können wir nicht sagen, ob es besser ist, den Tee als Getränk zu schlürfen oder seine Inhaltsstoffe konzentriert in Kapselform zu schlucken. Ab welcher Einnahmedauer stellen sich die Effekte ein? Welche Sicherheitsrisiken entstünden bei einer Langzeiteinnahme? Es sind also noch diverse Fragen zu klären.

Vorbeugung über den Teetassenrand hinaus

Selbst wenn sich in Zukunft herausstellen würde, dass Grüntee vor manchen Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützt, handelt es sich hier kaum um ein Wundermittel. Enorme Effekte auf Basis des Teekonsums sind nicht zu erwarten.

Zur Vorbeugung von diversen ‚Zivilisationskrankheiten’ gehört nämlich weitaus mehr als ein einzelnes Getränk. Eine ausgewogene, gesunde Ernährung, Bewegung und der Konsum von Alkohol oder Nikotin spielen eine wichtige Rolle. Aber auch der Umgang mit Stress, die persönlichen Lebensverhältnisse und gesellschaftliche Faktoren haben einen wichtigen Einfluss auf unsere Gesundheit.

Die Studien im Detail

Bei vielen Konsumenten liegt Matcha im Trend; in der wissenschaftlichen Literatur kommt dieser spezielle Grüntee jedoch kaum vor. Es gibt keine guten Untersuchungen über mögliche Vor- oder Nachteile für die Gesundheit. Matcha wird eine besonders hohe Konzentration von einigen Catechinen (z. B. Epigallocatechingallat) nachgesagt – diese Stoffe gelten als besonders gesundheitsfördernd, auch wenn ihre Wirkmechanismen im Detail nicht bekannt sind. [7]

Über mögliche Gesundheitswirkungen von ‚ganz normalem’ Grüntee gibt es hingegen eine Vielzahl von Studien. Oft stammen diese Arbeiten aus Asien, wo das Grünteetrinken eine lange Tradition hat. In den letzten Jahren wurde beispielsweise eine Anti-Krebs-Wirkung diskutiert. Wie wir bereits berichtet haben, gibt es darauf jedoch keine Hinweise (siehe Grüner Tee: kein Anti-Krebs-Wunder).

Hinweis auf gewonnene Lebensjahre

Etliche Beobachtungsstudien haben jedoch auch die Gesamt-Lebensdauer und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Grüntee-Konsumenten thematisiert – ihre Ergebnisse sind in zwei Übersichtsarbeiten aus dem Jahr 2015 zusammengefasst [2,3].

In Summe zeigen die Studiendaten, dass passionierte Grünteetrinker seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben und dadurch insgesamt länger leben. Beispielsweise untersuchten japanische Forscher für eine Kohortenstudie den Gesundheitszustand von 96.000 Teilnehmern 18 Jahren lang. Zu Studienende waren 18 von 100 männlichen Teilnehmer verstorben, die kaum zu Grüntee griffen. Bei den Grüntee-Vieltrinkern waren es jedoch nur 16 von 100. Bei den Frauen war das Ausmaß der Verringerung ähnlich: Unter den Studienteilnehmerinnen, die selten bis nie Grüntee tranken, waren nach Ablauf der Studie 9 von 100 verstorben. Bei den Grüntee-Liebhaberinnen waren es jedoch nur 8 von 100 [8].

Allerdings verlangt die Interpretation von Beobachtungsstudien eines an Zurückhaltung, weil es bei dieser Studienform diverse potenzielle Fehlerquellen gibt. Möglicherweise wurden bestimmte Verhaltensweisen, Krankheitsdaten, Ernährungsgewohnheiten oder Lebensumstände nicht vollständig berücksichtigt – alle dies könnte das Ergebnis verfälschen.

Risiko-Reduktion…

Verlässlichere Rückschlüsse lässt eine systematische Übersichtsarbeit der Cochrane Collaboration aus dem Jahr 2013 zu [1]. Hier sind sieben RCTs zusammengefasst, und die Autoren kamen zu dem Schluss, dass Grüntee als Getränk oder Nahrungsergänzungsmittel möglicherweise die Risikofaktoren Blutdruck, Gesamtcholesterin und LDL-Cholesterin günstig beeinflussen kann.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine weitere Übersichtsarbeit aus 2014 [3] und zwei aus dem Jahr 2015 [5,6]. Die zwischen rund 800 und 1500 Teilnehmer der analysierten RCTs hatten den Grüntee in Form von Nahrungsergänzungsmitteln zu sich genommen.

…und dann?

Auch wenn diese Arbeiten sorgfältig durchgeführt wurden und aktuell sind, so haben sie doch ein Manko: Hier geht es ‚nur’ um Risikofaktoren – und wie diese durch Grüntee möglicherweise günstig zu beeinflussen sind.

Darüber, ob Grünteetrinker aus Europa tatsächlich seltener erkranken oder nicht so häufig an Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben, erfahren wir in diesen Arbeiten nichts. Inwiefern bestimmte Personengruppen vom Grünteetrinken möglicherweise mehr profitieren als andere, ist auch nicht abzulesen. Ebenso wenig können wir daraus ableiten, ob sich das Risiko für bestimmte Leiden aus der ‚Familie’ der Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch Grüntee besonders gut beeinflussen lässt.

HARTLEY u.a. (2013)
Studientyp: Übersichtsarbeit der Cochrane Collaboration
Eingeschlossene Studien: 11 RCTs, davon 7 zu Grüntee
Studienteilnehmer: ingesamt 821 Personen
Studiendauer: 3 bis 6 Monate
Fragestellung: Haben Grüntee und Schwarztee eine präventive Wirkung in Bezug auf das Herz-Kreislauf-Risiko?
Mögliche Interessenskonflikte: keine

Hartley L, Flowers N, Holmes J, Clarke A, Stranges S, Hooper L, Rees K. Green and black tea for the primary prevention of cardiovascular disease. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013, Issue 6. Art. No.: CD009934. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[2] Tang u.a. (2015)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Eingeschlossene Studien: u.a. 7 prospektive Kohortenstudien zu Grüntee & Herz-Kreislauf-Mortalität bzw. allgemeiner Mortalität
Fragestellung: Senkt grüner beziehungsweise schwarzer Tee das Risiko, an Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder anderen Todesursachen frühzeitig zu versterben?
Interessenskonflikte: keine laut Autoren

Tang J, Zheng JS, Fang L, Jin Y, Cai W, Li D. Tea consumption and mortality of all cancers, CVD and all causes: a meta-analysis of eighteen prospective cohort studies. Br J Nutr. 2015 Sep 14;114(5):673-83. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[3] Zhang u.a. (2015)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Eingeschlossene Studien: 22 prospektive Kohortenstudien
Teilnehmer insgesamt: 856.206
Fragestellung: Senkt grüner beziehungsweise schwarzer Tee das Risiko, insgesamt und insbesondere an Herz-Kreislauf-Erkrankungen frühzeitig zu versterben?
Interessenskonflikte: keine laut Autoren

Zhang C, Qin YY, Wei X, Yu FF, Zhou YH, He J. Tea consumption and risk of cardiovascular outcomes and total mortality: a systematic review and meta-analysis of prospective observational studies. Eur J Epidemiol. 2015 Feb;30(2):103-13. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[4] Onakpoya u.a. (2014)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Eingeschlossene Studien: 20 RCTs
Studienteilnehmer: 1536 Personen
Fragestellung: Welche Wirkung hat Grüntee auf den Blutdruck bzw. auf Blutfette?
Mgliche Interessenskonflikte: keine

Onakpoya I, Spencer E, Heneghan C, Thompson M. The effect of green tea on blood pressure and lipid profile: a systematic review and meta-analysis of randomized clinical trials. Nutr Metab Cardiovasc Dis. 2014 Aug;24(8):823-36. (Zusammenfassung der Studie)

[5] Li u.a. (2015)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Eingeschlossene Studien: 14 randomisiert-kontrollierte Studien
Teilnehmer insgesamt: 971 übergewichtige Personen
Fragestellung: Senkt grüner Tee bzw. Grüntee-Extrakt einen erhöhten Blutdruck bei Übergewichtigen?
Interessenskonflikte: keine laut Autoren

Li G, Zhang Y, Thabane L, Mbuagbaw L, Liu A, Levine MA, Holbrook A. Effect of green tea supplementation on blood pressure among overweight and obese adults: a systematic review and meta-analysis. J Hypertens. 2015 Feb;33(2):243-54. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[6] Yarmolinsky u.a. (2015)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Eingeschlossene Studien: 10 randomisiert-kontrollierte Studien
Teilnehmer insgesamt: 834 Personen mit erhöhtem Blutdruck
Fragestellung: Senkt grüner Tee bzw. Grüntee-Extrakt einen erhöhten Blutdruck?
Interessenskonflikte: keine laut Autoren

Yarmolinsky J, Gon G, Edwards P. Effect of tea on blood pressure for secondary prevention of cardiovascular disease: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Nutr Rev. 2015 Apr;73(4):236-46. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[7] Weiss & Anderton (2003)
Studientyp: Laborstudie
Fragestellung: Analyse der im Matcha-Tee enthaltenen Catechine
Mögliche Interessenskonflikte: keine

Weiss DJ, Anderton CR. Determination of catechins in matcha green tea by micellar electrokinetic chromatography. J Chromatogr A. 2003 Sep 5;1011(1-2):173-80. (Zusammenfassung der Studie)

[8] Saito u.a. (2015)
Saito E, Inoue M, Sawada N, Shimazu T, Yamaji T, Iwasaki M, Sasazuki S, Noda M, Iso H, Tsugane S; JPHC Study Group. Association of green tea consumption with mortality due to all causes and major causes of death in a Japanese population: the Japan Public Health Center-based Prospective Study (JPHC Study). Ann Epidemiol. 2015 Jul;25(7):512-518.e3. (Zusammenfassung der Studie)

Aktualisiert, ursprünglich veröffentlicht am 28. 5. 2015. Drei neue systematische Übersichtsarbeiten [2] [5,6] bekräftigen die bisherige Einschätzung der Studienlage.

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