Mythos Wasser trinken gegen Kopfschmerzen

Wer ausreichend Wasser trinkt, bekommt angeblich keine Kopfschmerzen: Diesem Mythos scheinen bisherige Studien zu widersprechen.

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Kann erhöhter Wasserkonsum Kopfschmerzen vorbeugen?

Zwei kleine Studien deuten darauf hin, dass häufigeres Trinken von Wasser Spannungskopfschmerzen oder Migräne nicht vorbeugen kann.

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© Robert Kneschke - fotolia.com Wasser trinken gegen Kopfweh?
© Robert Kneschke – fotolia.com

Es ist ein verbreiteter Mythos: Kopfschmerzen kommen angeblich davon, dass man zu wenig getrunken hat. Ein häufiger Ratschlag ist daher, einfach mehr Wasser zu trinken. Oft leichter gesagt als getan, wenn man sich dazu zwingen muss, weil man eigentlich gar keinen Durst hat.

Kann Wasser Kopfschmerzen wirklich vorbeugen? Und wenn ja, wieviel Wasser müsste man dann täglich trinken? Wir wollten wissen, was die Forschung dazu sagt.

Eher kein vorbeugender Effekt

Bei unserer Recherche haben wir zwei kleine Studien gefunden. Sie deuten darauf hin, dass das nicht funktioniert.
Die Teilnehmenden in den Studien hatten häufig Kopfschmerzen – manche Spannungskopfschmerzen, manche Migräne. Die Hälfte von ihnen trank drei Monate lang beinahe einen Liter mehr Wasser als sonst. Dennoch hatten sie ähnlich häufig und ähnlich lang Kopfschmerzen wie die andere Gruppe, die ihren Wasserkonsum nicht veränderte. Sie nahmen auch genauso viele Schmerzmittel ein.

Die beiden Studien sind allerdings nur bedingt aussagekräftig und haben etliche Mängel (siehe Abschnitt „Die Studien im Detail“). Dass ein höherer Wasserkonsum gegen Kopfschmerzen sicher wirkungslos ist, müssten aussagekräftigere Studien in der Zukunft bestätigen.

Wie viel Wasser ist genug?

Wie viel Flüssigkeit der Körper braucht, hängt von vielen Faktoren ab, etwa wie viel man durch Hitze oder Bewegung schwitzt. Zudem benötigen Männer beispielsweise mehr Flüssigkeit als Frauen, jüngere Erwachsene mehr als ältere, und Übergewichtige mehr als Schlanke [3,4]. Es ist also nicht möglich, eine Trinkmenge zu empfehlen, die für alle Menschen gilt.

Dementsprechend unterschiedlich sind Empfehlungen verschiedener Fachleute und Organisationen. Das US-amerikanische Institute of Medicine empfiehlt Männern etwa 3 Liter täglich zu trinken und Frauen 2,2 Liter [3]. Der österreichischen Ernährungspyramide zufolge liegt der Mindestbedarf Erwachsener bei 1,5 Litern am Tag [5].

Zu viel Wasser kann ungesund sein

Wer einen Liter Wasser mehr am Tag zu trinkt als gewohnt, hat keine Nebenwirkungen zu erwarten. Sehr große Wassermengen innerhalb kurzer Zeit zu trinken kann jedoch gefährlich sein. So berichteten Medien von einer 28-jährige Studentin, die bei einem Wassertrink-Wettbewerb mehr als sieben Liter Wasser innerhalb von dreieinhalb Stunden getrunken hat. Nach dem Wettbewerb klagte sie über Kopfschmerzen und Unwohlsein. Einige Stunden später war sie gestorben – Diagnose Wasservergiftung.

Der Grund: das viele Wasser kann die Konzentration von Salz und Mineralstoffen im Körper stark verdünnen. Dadurch kann es zu Übelkeit, Erbrechen und Schwindel kommen – in Extremfällen auch zum Tod [6].

Kopfschmerzen wirksam vorbeugen

Die häufigste Form von Kopfschmerzen sind Spannungskopfschmerzen. Viele beschreiben sie als dumpf und drückend. Vermutlich ist jeder Mensch irgendwann einmal davon betroffen. Bei 40 von 100 Menschen treten Spannungskopfschmerzen regelmäßig auf, bei 1 von 100 auch dauerhaft über einen längeren Zeitraum [7]. Frauen sind etwas häufiger betroffen. Die Ursache von Spannungskopfschmerzen ist unbekannt. Wie sie sich vorbeugen lassen, hat die unabhängige Seite Gesundheitsinformation.de zusammengefasst.

Migräne-Kopfschmerzen sind anders als gewöhnliche Spannungskopfschmerzen. Sie sind deutlich stärker, setzen plötzlich ein und betreffen nur eine Seite des Kopfes. Manche Menschen sind während eines Migräne-Anfalls sehr empfindlich auf Geräusche und Licht. Betroffenen kann dabei auch übel werden und sie müssen erbrechen. Frauen haben öfter Migräne, wiederkehrende Anfälle kommen bei rund 14 von 100 Frauen vor und bei 7 von 100 Männern [8]. Wie sich Migräne-Anfälle wirksam vorbeugen lassen, beschreibt die Webseite Gesundheitsinformation.de.

Cluster-Kopfschmerzen sind die seltenste Kopfschmerzform, etwa 1 von 1000 Menschen sind davon betroffen – Männer dreimal häufiger als Frauen. Typisch sind plötzlich auftretende, stechende Schmerzen rund um das rechte oder das linke Auge. Nach 15 Minuten bis drei Stunden verschwinden die Schmerzen wieder von alleine. Was wirksam vorbeugen kann, beschreibt die Seite Gesundheitsinformation.de.

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Ob mehr Wasser trinken Kopfschmerzen vorbeugen kann, lässt sich am aussagekräftigsten in sogenannten randomisiert-kontrollierten Studien untersuchen. Dabei werden von Kopfschmerzen betroffene Teilnehmende per Zufall (randomisiert) einer von zwei Gruppen zugelost: Die Wassergruppe soll ihren täglichen Wasserkonsum deutlich erhöhen, während die Kontrollgruppe zum Vergleich ihre tägliche Trinkmenge nicht ändert. Am Ende der Studienlaufzeit vergleicht das Forschungsteam, ob die Kopfschmerzen in der Wassergruppe seltener geworden sind als in der Kontrollgruppe.

Idealerweise wissen die Teilnehmenden nicht darüber Bescheid, was die Forschungsgruppe für eine Veränderung erwartet. Denn solche Erwartungen könnten die Schmerzen von allein lindern. Fachleute nennen das den Placebo-Effekt. Demnach kann ein Placebo – ein wirkungsloses Scheinmedikament – nur durch die Erwartung Beschwerden lindern.

Bei unserer umfangreichen Recherche in zwei Forschungsdatenbanken haben wir zwei solcher Studien gefunden [1,2]. Beide stammen vom selben Forschungsteam. Die Ergebnisse deuten in beiden Studien darauf hin, dass vermehrtes Wassertrinken Spannungskopfschmerzen oder Migräne nicht vorbeugen kann. Zumindest nicht innerhalb von drei Monaten.

Wie aussagekräftig sind diese Studien?

Folgende Mängel schränken die Aussagekraft der beiden Studien ein:

  • Gruppen nicht vergleichbar: Schon vor Studienbeginn hatten die Teilnehmenden der Wassergruppe häufiger Kopfschmerzen als jene der Kontrollgruppe. So lässt sich nicht fair vergleichen, ob der Unterschied im Wasserkonsum Kopfschmerzen verringern kann.
  • Geringe Anzahl an Teilnehmenden: In der Studie aus dem Jahr 2012 [1] nahmen 102 Personen teil, in der älteren aus 2005 [2] nur 18. In Summe ist das zu wenig für ein aussagekräftiges Ergebnis – idealerweise sollten zumindest 300 Personen an einer Studie teilnehmen. Es ist daher nicht völlig ausgeschlossen, dass vermehrtes Wassertrinken doch einen kleinen Effekt haben könnte.
  • Fehlende Daten: Die Forschungsgruppe der neueren Studie [1] konnte die Daten von mehr als einem Viertel der Teilnehmenden nicht für die Auswertung berücksichtigen, da die Teilnehmenden die Studie vor Ende der drei Monate abgebrochen haben. Das passierte in der Kontrollgruppe deutlich häufiger (34%) als in der Wassergruppe (21%). Es könnte sein, dass die Ergebnisse dadurch verzerrt worden sind.

Es gab aber auch einen Faktor, der die Aussagekraft gestärkt hat:

  • Erwartungen ohne Einfluss: In der Studie aus dem Jahr 2012 [1] gaben die Teilnehmenden an, dass sie sich vom vermehrten Wassertrinken einen Kopfschmerz-lindernden Effekt erwarten. Doch sogar trotz dieser Erwartung hatte die Wassergruppe nicht weniger Kopfschmerzen als die Kontrollgruppe.

[1] Spigt u.a. (2012)
A randomized trial on the effects of regular water intake in patients with recurrent headaches. Fam Pract. 2012 Aug;29(4):370-5. (Zusammenfassung der Studie)

[2] Spigt u.a. (2005)
Increasing the daily water intake for the prophylactic treatment of headache: a pilot trial. Eur J Neurol. 2005 Sep;12(9):715-8. (Zusammenfassung der Studie)

[3] Institute of Medicine (2005)
Dietary Reference Intakes for Water, Potassium, Sodium, Chloride, and Sulfate. Seite 73-185. Washington, DC: The National Academies Press. Abgerufen am 22. 6. 2023 unter https://doi.org/10.17226/10925

[4] Yamada u.a. (2022)
Variation in human water turnover associated with environmental and lifestyle factors. Science. 2022 Nov 25;378(6622):909-915. (Studie in voller Länge)

[5] Gesundheit.gv.at (2020)
Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Die österreichische Ernährungspyramide: Alkoholfreie Getränke. Abgerufen am 22. 6. 2023 unter https://www.gesundheit.gv.at/leben/ernaehrung/info/oesterreichische-ernaehrungspyramide/ernaehrungspyramide-getraenke.html

[6] Radojevic u.a. (2012)
Forensic aspects of water intoxication: four case reports and review of relevant literature. Forensic Sci Int. 2012 Jul 10;220(1-3):1-5. (Zusammenfassung der Fallberichte-Sammlung)

[7] Gesundheitsinformation.de (2022)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Spannungskopfschmerzen. Abgerufen am 26.6.2023 unter https://www.gesundheitsinformation.de/spannungskopfschmerzen.html

[8] Gesundheitsinformation.de (2022)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Migräne. Abgerufen am 26.6.2023 unter https://www.gesundheitsinformation.de/migraene.html

[9] Gesundheitsinformation.de (2022)

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Cluster-Kopfschmerzen. Abgerufen am 26.6.2023 unter https://www.gesundheitsinformation.de/cluster-kopfschmerzen.html

  • 27.6.2023: Keine neuen Studien gefunden. Einschätzung der Aussagekraft der bisherigen Studien nach Diskussion im Redaktionsteam jedoch geändert (zuvor „wissenschaftliche Belege fehlen“)
  • 23.6.2016: Aktualisierte Version, Eine Suche nach neuen Studien bringt keine inhaltliche Änderung. Info zu Wasservergiftung hinzugefügt.
  • 10.9.2012: erste Version

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