Viruprotect: Unwirksamer Erkältungsspray gegen Viren

Der Erkältungsspray Viruprotect soll gegen Erkältungen helfen, und zwar mit dem Enzym Trypsin. Doch Studienergebnisse zeigen: Viruprotect ist unwirksam.

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Verringert der Rachenspray Viruprotect Beschwerden und Erkrankungsdauer bei Erkältungen?

Schützt Viruprotect vor Erkältungen und Covid-19? Hilft der Spray bei Covid-19?

Der Spray Viruprotect kann bei einer Erkältung weder die Beschwerden lindern noch die Erkrankungsdauer verkürzen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aussagekräftige Studie. Ob der Erkältungsspray bei Covid-19 hilft, ist nicht untersucht worden. Ebenfalls nicht erforscht ist, ob der Spray eine vorbeugende Wirkung vor Erkältungen und Covid-19 hat.

so arbeiten wir
Das Erkältungsspray wird in den Rachen gesprüht Täglich bis zu sechs Sprühstöße in den Rachen als Empfehlung gegen Erkältungen?
© stockah – shutterstock.com

Das wär’s: Endlich ein Mittel, das vor lästigen Erkältungen und auch Covid-19 schützt, oder die Zeit des Leidens wenigstens verkürzt.

Viruprotect macht den Eindruck, genau das zu können. In der Werbung wird behauptet, der Spray könne die Dauer einer Erkältung reduzieren. Sechs Mal täglich soll laut Herstellerfirma der Spray in Mund und Rachen gesprüht werden. Der angebliche Schutzfilm soll so Viren binden, diese deaktivieren und deren Vermehrung verhindern.

Allerdings ist Viruprotect kein Arzneimittel, sondern ein Medizinprodukt. Für solche gelten nicht dieselben strengen Auflagen wie für Arzneimittel. Viruprotect wird als Erkältungsspray mit Glycerin und Trypsin in Österreich vertrieben (im englischsprachigen Raum unter dem Namen „Coldzyme“) [4].

Wir haben die Behauptungen zu Viruprotect bzw. Coldzyme überprüft und nach aussagekräftigen Forschungsarbeiten gesucht.

Unwirksamer Erkältungsspray

Bei unserer Recherche fanden wir eine einzige aussagekräftige Studie [1]. Sie zeigt, dass Viruprotect weder die Dauer einer Erkältung reduziert noch die Beschwerden lindert.

Die Forschenden der Studie verglichen den Spray mit einem Scheinpräparat (Placebo). Sie konnten zwischen den beiden Präparaten keinen Unterschied feststellen. Weder die Stärke der Beschwerden noch die Erkrankungsdauer der Erkältung konnten durch den Spray reduziert werden (Näheres dazu im Abschnitt Studien im Detail).

Eine eventuelle Wirksamkeit bei einer Covid-19-Erkrankung ist unklar. Denn die Studie wurde noch vor der Covid-19-Pandemie durchgeführt.

Nebenwirkungen

Die meisten unerwünschten Ereignisse, die in der Studie auftraten, umfassten Übelkeit, Schmerzen, Schwellungen oder Taubheit im Rachen. Diese Nebenwirkungen kamen aber bei jenen Teilnehmenden, die Viruprotect verwendeten, etwa gleich häufig vor, wie bei jenen, die nur ein Placebo verwendeten [1].

Mehr Informationen

Alles zum Thema Erkältungen und was sie lindern kann, hat die Plattform gesundheit.gv.at zusammengefasst.

Viren einfach wegverdauen?

Die Idee hinter dem Erkältungsspray lautet folgendermaßen: Der Spray enthält unter anderem das Enzym Trypsin. Trypsin ist ein Verdauungsenzym, das Proteine abbaut. Es soll auch jene Proteine auf der Oberfläche von Erkältungsviren und Coronaviren angreifen, die diese zum Eindringen in den menschlichen Körper benötigen. Der Plan ist also: Dank Trypsin kein Virusprotein, ohne Virusprotein keine Infektion.

In Deutschland nicht erhältlich

Der Erkältungsspray ist in der EU als Medizinprodukt eingestuft. Die Voraussetzungen für einen Verkauf unterscheiden sich von denen für Arzneimittel – für Medizinprodukte sind sie weniger strikt. Allerdings ist die deutsche Gesetzgebung strenger als die EU-Medizinprodukte-Verordnung. Ein deutsches Gericht hat den Vertrieb von Viruprotect untersagt, da die bisherigen Studien (Stand 2021) in Deutschland nicht als ausreichender Wirknachweis anerkannt wurden. In Deutschland ist Viruprotect nicht erhältlich. Und das wird wohl auch die 2023 erschienene Studie, die wir als aussagekräftig und vertrauenswürdig einstufen, nicht ändern. Denn im Vergleich zu einem Scheinpräparat konnte Viruprotect keine Wirksamkeit zeigen [1]. Dennoch ist in Österreich und anderen Ländern der Erkältungsspray weiterhin erhältlich.

Alle Jahre wieder

Auch wenn wir es uns anders wünschen: Einer Erkältung bzw. Verkühlung können wir besonders in der kalten Jahreszeit nur schlecht entkommen. Auslöser sind verschiedene Viren. Bei Erwachsenen schlagen Erkältungsviren im Durchschnitt etwa zwei- bis viermal pro Jahr zu, bei Kindern noch häufiger – etwa sechs bis acht Mal. Die wichtigsten und wirksamsten Schutzmaßnahmen: Abstand zu erkrankten Personen halten und häufiges Händewaschen [5].

Fragen nach schützenden oder lindernden Mitteln erreichen uns regelmäßig. Für einige von ihnen haben wir schon Faktenchecks veröffentlicht: Während bei Erkältungen Vitamin C so gut wie nutzlos ist, kann Zink möglicherweise die Dauer der Erkrankung ein klein wenig verkürzen. Vitamin D und Echinacea haben eventuell einen minimalen vorbeugenden Effekt, während Erkältungssprays auf Basis von Rotalgen Beschwerden möglicherweise nicht lindern können.

Was bei der Vorbeugung und Behandlung von Erkältungen hilft und was nicht, haben wir auf unserer Themenseite Erkältung zusammengefasst.

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Wir durchsuchten drei verschiedene Datenbanken nach aussagekräftigen Forschungsarbeiten, die unsere Fragen beantworten wollten. Wir suchten auch nach Studien, die einen möglichen vorbeugenden Effekt untersuchten. Zudem durchforsteten wir die Webseite der Herstellerfirma von Viruprotect bzw. Coldzyme.

Wir berücksichtigten bei der Recherche nur randomisiert-kontrollierte Studien. Sie sind am aussagekräftigsten, um den Effekt einer Behandlung feststellen zu können. Bei dieser Studienart werden Teilnehmende per Zufall zumindest zwei verschiedenen Gruppen zugeteilt (randomisiert). Kontrolliert bedeutet: Während die Interventionsgruppe Viruprotect bzw. Coldzyme einnimmt, erhält die Kontrollgruppe nur ein Scheinpräparat (Placebo) oder gar keine Behandlung.

Idealerweise wissen weder die Teilnehmenden noch das wissenschaftliche Studienteam, wer welcher Gruppe zugeordnet ist. Fachleute sprechen von einer „doppelt verblindeten“ Studie. Fehlt eine solche Verblindung, können die Erwartungen der an der Studie Beteiligten die Ergebnisse beeinflussen. Daher sollten die Teilnehmenden der Kontrollgruppe einen wirkstofflosen Placebo-Spray bekommen, der sich in Geschmack und Aussehen nicht von dem zu untersuchenden Erkältungsspray unterscheiden lässt.

Wir konnten drei Studien finden, die unsere Fragen beantworten wollten [1-3].

Wie aussagekräftig ist die Studie?

Die 2023 veröffentlichte Studie [1] war die aussagekräftigste in den vergangenen zwei Jahren seit der ersten Veröffentlichung dieses Faktenchecks 2021. Sie ist eine doppelt verblindete randomisiert-kontrollierte Studie. 438 an Erkältungen erkrankte Teilnehmende bekamen entweder den Erkältungsspray oder einen Placebo-Spray. Ungefähr 300 Teilnehmende sind erforderlich für ein aussagekräftiges Ergebnis. Aufgrund des aussagekräftigen Studiendesigns und dem geringen Verzerrungsrisiko, ist unser Vertrauen in diese Studie hoch. Sie ist die Basis für unsere Einschätzung: der Erkältungsspray ist unwirksam, um Beschwerden und Erkrankungsdauer zu reduzieren.

2022 wurde von denselben Forschenden eine Studie veröffentlich [2]. Sie versuchte dieselben Fragen mit denselben Messmethoden zu beantworten wie die Forschungsarbeit von 2023 [1]. Allerdings waren die nur 167 Teilnehmenden nicht verblindet. Möglicherweise hatten deshalb die Teilnehmenden aus der Interventionsgruppe Erwartungen an die Wirkung des Erkältungssprays. Diese Erwartungen können die Einschätzung der Teilnehmenden zu den eigenen Erkältungssymptomen beeinflusst haben. Aufgrund des hohen Verzerrungsrisikos ist unser Vertrauen in diese Studie gering. Wir berücksichtigen sie nicht für unsere Einschätzung zur Wirksamkeit des Sprays.

Eine 2017 erschienene Forschungsarbeit [3] war unklar in Bezug auf ihre Randomisierung. Läuft eine Randomisierung nicht korrekt ab, so sind die Ausgangsbedingungen in den Gruppen möglicherweise zu unterschiedlich. Folglich könnte eine Studie keinen fairen Vergleich darstellen. Mit 47 Teilnehmenden ist diese Studie auch zu klein, um ein aussagekräftiges Ergebnis liefern zu können. Außerdem fehlt rund ein Viertel der Probandinnen und Probanden im Datensatz für die Auswertung. Diese Verzerrungen reduzieren die Aussagekraft der Forschungsarbeit erheblich. Wir berücksichtigen auch diese Forschungsarbeit nicht für unsere Einschätzung zur Wirksamkeit des Sprays.

Welche Studien haben wir nicht berücksichtigt?

Wir haben eine weitere kleine Studie vom Hersteller gefunden. Da diese aber keine Kontrollgruppe hat, ist sie wissenschaftlich wertlos. Denn sie kann nicht beantworten, ob es den Teilnehmenden ohne Spray nicht genauso schnell wieder besser gegangen wäre.

[1] Lindberg et al. (2023) Early intervention with ColdZyme mouth spray after self-diagnosis of common cold: a randomized, double-blind, placebo-controlled study [Journal article]. PloS one, 18(1), e0279204. (Link zur Studie)

[2] Lindberg et al. (2022) Early intervention with a glycerol throat spray containing cold-adapted cod trypsin after self-diagnosis of common cold: a randomised trial [Journal article]. PloS one, 17(7), e0270699. (Link zur Studie)

[3] Clarsund et al. (2017) A Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled Pilot Clinical Study on ColdZyme<sup>&reg;</sup> Mouth Spray against Rhinovirus-Induced Common Cold. Open Journal of Respiratory Diseases, 07(04), 125-135. (Link zur Studie)

[4] Huijghebaert et al. (2021) Does Trypsin Oral Spray (Viruprotect((R))/ColdZyme((R))) Protect against COVID-19 and Common Colds or Induce Mutation? Caveats in Medical Device Regulations in the European Union. Int J Environ Res Public Health, 18(10). (Link zur Studie)

[5] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (2023) Erkältung. Abgerufen am 04.12.2023 unter gesundheitsinformation.de

  • 5.12.2023: Eine Suche nach neuen Studien hat unsere Einschätzung verändert. Aufgrund neuer Studienergebnisse sind wir uns nun relativ sicher, dass Viruprotect bei Erkältung nutzlos ist. Zur vorbeugenden Wirkung bei einer Erkältung sowie zu einer Wirkung bei Covid-19 gibt es weiterhin keine aussagekräftigen Ergebnisse.
  • 22.11.2021 Erstveröffentlichung des Faktenchecks

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