Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Mythos Blutgruppendiät

Bei Bluttransfusionen ist die Blutgruppe entscheidend. Dass sie auch für eine gesunde Ernährung eine Rolle spielt, ist jedoch ein unbelegter Mythos.

Hat die so genannte Blutgruppendiät einen gesundheitlichen Nutzen?

Bereits die Theorie der Blutgruppendiät ist wissenschaftlich nicht plausibel. Noch wichtiger: Es gibt keine aussagekräftigen Studien, die einen gesundheitlichen Nutzen dieser Ernährungsweise belegen.

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© Gina Sanders - fotolia.com Die Blutgruppe spielt bei der Bluttransfusion eine wichtige Rolle.
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Wien im Jahr 1901: Der österreichische Mediziner Karl Landsteiner veröffentlicht einen bahnbrechenden Artikel über seine Forschungsarbeiten. Er hatte beobachtet, dass sich in manchen Fällen Verklumpungen bilden, wenn man das Blut zweier Menschen mischt. In seiner Publikation vermutet er, dass es verschiedene „Blutgruppen“ geben müsse. Später identifiziert er Blutgruppen-Merkmale und bezeichnet sie mit A, B und 0. Einige Zeit später entdecken Landsteiners Mitarbeiter eine vierte Gruppe: „AB“.

Die Erkenntnisse Landsteiners und darauf aufbauende Forschungsarbeiten machten Bluttransfusionen erst möglich und retten vielen Menschen das Leben – denn die Gabe von nicht passendem Blut kann für den Empfänger tödlich enden. 1930 erhielt Landsteiner für seine Forschungsleistungen den Nobelpreis für Medizin [3].

Die Theorie hinter der Blutgruppendiät

Manchen Anhängern und Verfechterinnen alternativ-medizinischer Methoden zufolge sind die Kürzel A, B und 0 aber nicht nur bei Bluttransfusionen relevant. Seit mehreren Jahrzehnten kursiert auch die Theorie der Blutgruppendiät. Demnach soll es für jede Blutgruppe eine für die Gesundheit optimale Ernährungsweise geben. Menschen mit Blutgruppe 0 sollen sich der Theorie zufolge hauptsächlich von Fleisch ernähren, während bei Blutgruppe A eine vegetarische Ernährung das Beste sei. Milchprodukte seien bei Blutgruppe B vorteilhaft, bei Blutgruppe AB solle einer Mischung aus pflanzlicher Kost und Milchprodukten der Vorzug gegeben werden.

Diese Angaben werden angeblich aus der stammesgeschichtlichen Entwicklung des Menschen abgeleitet. Sie beruhen auf der Hypothese, dass Lektine, also Eiweiße, die in bestimmten Lebensmitteln vorkommen, mit gewissen Blutgruppen nicht verträglich seien. Daraus sollen sich Verklumpungen im Blut entwickeln, was zu einer Vielzahl an Krankheiten führe [2].

Für diese Annahmen gibt es jedoch keine wissenschaftliche Grundlage [4,5]. Schon von der Theorie her ist die Blutgruppendiät also nicht plausibel. Doch wie sieht es mit der Praxis aus? Bleibt man länger gesund, wenn man sich so ernährt, wie es der Blutgruppendiät entspricht?

Um das herauszufinden, bräuchte es Studien an ausreichend vielen Menschen, die anhand ihrer Blutgruppe in verschiedene Gruppen eingeteilt werden. Im Idealfall würde man jeder Gruppe zufällig eine der vier propagierten Ernährungsformen zuteilen und dann über einen längeren Zeitraum beobachten, wie sich die Gesundheit entwickelt. So könnte man beispielsweise herausfinden, ob Menschen mit Blutgruppe AB tatsächlich mehr von einer Mischkost profitieren als Menschen mit Blutgruppe 0.

Belege? Fehlanzeige!

Genau solche Studien fehlen jedoch. Zu diesem Ergebnis kommen wir nach einer ausführlichen Literaturrecherche. Lediglich zwei Studien untersuchten ähnliche Fragestellungen: In einer davon testete ein Forschungsteam, ob die Blutgruppen des später entdeckten „MNS-Systems“ einen Einfluss darauf hat, wie sehr sich der Cholesterinspiegel durch eine bestimmte Diät senken lässt. Die MNS-Blutgruppen waren teilweise bereits von Landsteiner sowie später anderen Wissenschaftlern erforscht worden. Auch sie können bei Bluttransfusionen schwere Probleme verursachen. Die Ergebnisse der Studie zu MNS-Blutgruppen und Cholesterinspiegel sind wegen Qualitätsmängeln allerdings nicht verlässlich und beantworten auch nicht die Frage nach dem Nutzen der AB0-Blutgruppendiät [3].

Eine zweite Studie zeigte lediglich eine bedingt aussagekräftige Momentaufnahme [2]. Dabei erhoben die Forschenden die Ernährungsgewohnheiten der Teilnehmer und Teilnehmerinnen und berechneten anhand der Daten, inwieweit die Nahrungszufuhr den Vorschriften der Blutgruppendiät entspricht. Außerdem maßen sie verschiedene Größen wie Taillenumfang, Blutdruck oder Blutfettwerte. Dabei stellten sie zwar fest, dass einige der Ernährungsgewohnheiten wie viel Obst und Gemüse zu günstigeren Ergebnissen führen. Das ist allerdings wenig verwunderlich, entspricht eine Obst- und Gemüse-reiche Kost doch den Erkenntnissen für eine gesunde Ernährung [6]. Die Ergebnisse zeigten jedoch auch, dass die Auswirkungen der Ernährung auf die gemessenen Gesundheits-Parameter nicht davon abhingen, ob die Nahrung zur jeweiligen Blutgruppe passte. Die Autorinnen und Autoren kamen zu dem Schluss, dass ihre Ergebnisse gegen die Theorie der Blutgruppendiät sprechen.

Ein gesundheitlicher Nutzen der Blutgruppendiät ist also bis heute nicht nachgewiesen, obwohl entsprechende Ernährungsmuster bereits seit mehr als 20 Jahren propagiert werden.

Vielzahl an Blutgruppen

Seit der Entdeckung Karl Landsteiners Anfang des 20. Jahrhunderts wurden neben dem AB0-System rund 30 weitere Blutgruppen-Merkmale identifiziert, darunter der sogenannte Rhesusfaktor oder das bereits erwähnte MNS-Blutgruppen-System.

Inzwischen ist bekannt, dass Blutgruppen durch Moleküle entstehen, die sich auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen befinden. Kommt das Blut einer Person mit dem einer für sie ungeeigneten Blutgruppe in Kontakt – etwa bei einer Bluttransfusion – so kommt es zu einer Immunreaktion. Dabei bildet das Immunsystem des Blutspendenempfängers Antikörper gegen die Moleküle auf den fremden roten Blutkörperchen, was zu einer gefährlichen Verklumpung des Blutes führen kann.

Die Blutgruppen-spezifischen Moleküle kommen auch auf anderen Körperzellen vor. Deshalb wäre es theoretisch denkbar, dass die Blutgruppe nicht nur bei einer Bluttransfusion eine Rolle spielt, sondern auch Auswirkungen auf Erkrankungen haben könnte. Die Studienlage ist in dieser Frage bisher jedoch unklar [1].

Die Studien im Detail

Bei unserer Literaturrecherche haben wir zwei Publikationen gefunden, die sich mit der Fragestellung beschäftigen.

Für eine systematische Übersichtsarbeit haben die Autorinnen und Autoren nach allen Studien zur genannten Fragestellung gesucht, die bis Oktober 2012 veröffentlicht worden waren [1]. Dabei konnten sie jedoch nur eine finden, die die Auswirkung des MNS-Blutgruppensystem und einer Ernährung mit niedrigem Fettgehalt auf den LDL-Cholesterinspiegel untersucht hat. Studien, die solche Untersuchungen auf Basis des AB0-Systems durchführten, gab es keine.

Bei der gefundenen Studie handelt es sich zwar um eine den als aussagekräftigsten Studientyp, eine randomisiert kontrollierte Studie. Allerdings findet sich darin die wichtige Beschreibung nicht, auf welche Art die 315 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Behandlungs- und Kontrollgruppe zugeteilt wurden. Außerdem fehlen am Ende der Studie die Daten einiger Personen: In der Endauswertung wurden nur 254 Patientinnen und Patienten berücksichtigt. Die Ergebnisse der Studie sind somit wenig aussagekräftig und erlauben keine klaren Schlussfolgerungen.

Die zweite identifizierte Arbeit ist eine kanadische Querschnittstudie an 1455 Personen [2]. Die Studienteilnehmer und –teilnehmerinnen protokollierten über einen Monat hinweg ihre Nahrungsgewohnheiten; ihre Blutgruppe wurde mit Hilfe einer genetischen Analyse bestimmt. Die Forscher werteten die Diät-Fragebögen aus und berechneten, in welchem Ausmaß die Ernährung mit den Vorschriften für die jeweilige Blutgruppe übereinstimmte. Gleichzeitig wurden verschiedene Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen gemessen. Dazu gehören der Body-Mass-Index und der Taillenumfang als Messgrößen für Übergewicht, der Blutdruck, verschiedene Blutfettwerte sowie Marker für die Insulinausschüttung, die bei Typ-2-Diabetes und seinen Vorstufen erhöht sind. Die Forscherinnen und Forscher wollten wissen, ob bei Menschen weniger Risikofaktoren haben, wenn sie sich an die Vorschriften der Blutgruppendiät halten. Sie fanden jedoch keine Hinweise für diese These.

Da es sich bei dieser Studie nur um eine Momentaufnahme handelt, lässt sich nicht sicher sagen, ob das Ernährungsverhalten tatsächlich die Ursache für die Höhe der jeweiligen Risikofaktoren ist, oder ob nicht umgekehrt die Menschen sich nach bestimmten Prinzipien ernähren, weil sie unter bestimmten gesundheitlichen Problemen leiden. Auch lässt sich mit dieser Studie nicht ausschließen, dass andere Faktoren als die Ernährung noch einen viel größeren Einfluss auf die Marker haben könnten. Allerdings haben die Forscher andere wichtige Faktoren wie Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Kalorienzufuhr, körperliche Aktivität und Rauchen bereits in der Auswertung berücksichtigt.

[1] Cusack u.a. (2013)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit
Teilnehmende insgesamt: 315 Personen in einer randomisiert kontrollierten Studie
Fragestellung: Verbessert das Einhalten einer bestimmten Diät, die auf der Blutgruppenzugehörigkeit beruht, die Gesundheit beziehungsweise verringert sie das Risiko für bestimmte Erkrankungen?
Interessenkonflikte: Die Autoren geben an, dass keine bestehen.

Cusack L u.a. (2013) Blood type diets lack supporting evidence: a systematic review. Am J Clin Nutr 98:99-104 (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[2] Wang u.a. (2014)
Studientyp: Querschnittstudie
Teilnehmende insgesamt: 1455 Personen
Fragestellung: Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Einhalten einer Blutgruppendiät und Markern für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und wird dieser Zusammenhang von der individuellen Blutgruppe beeinflusst?
Interessenskonflikte: Die Autoren geben an, dass keine bestehen

Wang J u.a. (2014) ABO Genotype, ‘Blood-Type’ Diet and Cardiometabolic Risk Factors. PLoS ONE 9(1): e84749 (Studie in voller Länge)

Weitere Quellen

[3] Owen R. (2000)
Karl Landsteiner and the first human marker locus. Genetics 155: 995–998
(Text in voller Länge)

[4] Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2013)
Blutgruppendiäten ohne bewiesenen Nutzen. Pressemitteilung vom 10.12.2013. Abgerufen am 7.3.2017 unter www.dge.de/presse/pm/blutgruppendiaeten-ohne-bewiesenen-nutzen/

[5] Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2000)
Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (2000) Die Blutgruppendiät von P. J. D’Adamo. DGE info 6/2000, S. 84–86

[6] Österreichische Gesellschaft für Ernährung (2014)
10 Ernährungsregeln der ÖGE. Abgerufen am 7.3.2017 unter www.oege.at/index.php/wissenschaft-forschung/empfehlungen/2-uncategorised/1126-empfehlungen-10-regeln-dge

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