Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Beinwell aus der Tube: Gut geschmiert gegen Schmerzen?

Beinwell soll bei Schmerzen von Muskeln oder Gelenken helfen. Kann die Heilpflanze in Salbenform tatsächlich Beschwerden des Bewegungsapparats lindern?

Hilft Salbe mit Beinwell gegen Rückenschmerzen und Knieschmerzen besser als ein Scheinmedikament (Placebo)?

Hilft Salbe mit Beinwell bei Knöchelverstauchungen und Muskelkater?

Die Wirkung von Salben mit Beinwell gegen Schmerzen im Rücken und im Knie ist nur in recht kleinen Studien mit methodischen Problemen untersucht. Eventuell ist Beinwell wirkungsvoller als Scheinmedikamente; bei Schmerzen im Kniegelenk könnte der Effekt für die Betroffenen sogar deutlich spürbar sein. Künftige Studien sollten diese möglichen Effekte noch wesentlich genauer beleuchten.
In drei kleinen Studien wurde die Wirkung von Beinwell bei Muskelkater bzw. verstauchtem Knöchel mit jener von Placebomitteln und Schmerzmitteln verglichen. Die positiv anmutenden Ergebnisse sind allerdings nicht verlässlich; und es braucht besser durchgeführte Untersuchungen.

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© Mark Heighes - shutterstock.com Beinwell: Hilft die Heilpflanze besser als Placebo- oder Schmerzmittel?
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Au weh – Schmerz lass nach! Probleme mit dem Bewegungsapparat, meist an Muskeln oder Gelenken, kennt wohl fast jeder. So gehört ein verstauchter Knöchel zu den häufigsten Verletzungen und tritt besonders oft bei Sportlerinnen und Sportlern auf. Glücklicherweise sind die Beschwerden nach zwei Wochen in der Regel wieder verschwunden [6].

Wer lange am Schreibtisch sitzt und wegen Fehlhaltungen und schwacher Muskulatur Rückenschmerzen bekommt, leidet oft noch länger [7]. Besonders belastend sind wiederkehrende Schmerzen, wie sie bei Gelenkverschleiß (Arthrose) auftreten, zum Beispiel am Knie. [8].

Abhilfe durch Beinwell?

Dann liegt der Wunsch nach Linderung auf der Hand. Abhilfe versprechen etwa Schmerzsalben, die man in der Regel ohne Rezept in der Apotheke kaufen kann. Oft enthalten sie ein Schmerzmittel wie den „chemischen“ Wirkstoff Diclofenac. Andere Präparate dagegen werben mit „natürlichen“ Bestandteilen wie einem Extrakt aus der Heilpflanze Beinwell.

Uns erreichte eine Leseranfrage, ob Beinwell bei Schmerzen an Muskeln und Gelenken helfen kann. Besonders interessierte dabei die Werbung eines Herstellers, der behauptete, dass sein Beinwell-Präparat genauso gut helfe wie Diclofenac.

Verhaltener Optimismus

Tatsächlich konnten wir auch für einige dieser Anwendungsgebiete Studien finden, die die Wirkung von Salben mit Beinwell gegen Schmerzen untersucht haben. Allerdings war bei den meisten Studien der Hersteller beteiligt. Diese Konstellation führt öfter zu positiveren Resultaten als bei unabhängigen Studien.

Bei Schmerzen im Rücken [1] und Knie-Arthrose [2] scheint der aus Beinwell gewonnene Pflanzenextrakt besser zu helfen als ein Scheinmedikament (Placebo). Allerdings beruht diese Einschätzung auf jeweils nur einer Studie mit relativ wenigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die auch noch einige kleinere methodische Probleme aufweisen. Auf dieser Grundlage können wir nur das verhaltene Urteil „möglicherweise ja“ fällen.

Unzureichend belegt

Methodisch noch schlechter sind die Studien zur Anwendung von Beinwell bei Schmerzen aufgrund eines verstauchten Knöchels [3,4] oder bei Muskelkater [5]. Hier lassen sich gar keine verlässlichen Schlussfolgerungen ziehen. Das gilt sowohl für den Vergleich von Beinwell mit einem Scheinmedikament als auch mit dem Schmerzmittel Diclofenac. Die Behauptungen in der Werbung sind also alles andere als gut belegt.

Wenig Nebenwirkungen

Nebenwirkungen durch die Beinwellsalben waren in den Studien selten. Über schwerwiegende unerwünschte Effekte wurde gar nicht berichtet. Allerdings wendeten die Teilnehmenden die Salben meist nur über eine kurze Dauer von wenigen Tagen bis Wochen an. Aussagen zur langfristigen Verträglichkeit lassen sich auf dieser Basis nicht machen.

Traditioneller Gebrauch

Beinwell (lateinischer Name: Symphytum officinale) ist als Heilpflanze in Europa schon seit Jahrhunderten im Gebrauch. Arzneimittel mit Beinwell basieren in der Regel auf alkoholischen Extrakten aus der Wurzel und dem Wurzelstock der Pflanze.

Als traditionelle Anwendungsgebiete für die äußerliche Verwendung gelten unter anderem Abschürfungen der Haut und Schmerzen von Muskeln und Gelenken [9]. Die Wirksamkeit soll auf Substanzen wie Allantoin, Rosmarinsäure und verschiedene Schleimstoffe zurückzuführen sein [4].

Allerdings kam das Europäische Komitee für die Bewertung von Heilpflanzen 2015 zu dem Schluss, dass die Studienlage für diese Anwendungsgebiete unzureichend ist. Neue Arzneimittel auf Beinwell-Basis müssen deshalb den Hinweis tragen, dass sie nur aufgrund von langjähriger Erfahrung auf dem Markt sind [9].

Die Studien im Detail

Bei unserer Literaturrecherche haben wir nach Studien gesucht, deren Teilnehmerinnen und Teilnehmer Schmerzen des Bewegungsapparats, meist an Muskeln oder Gelenken, hatten.

Ein Teil der Probandinnen und Probanden testete die Salben mit Beinwell. Die anderen bekamen ein Scheinmedikament (Placebo) oder eine Salbe mit einem bekannten Wirkstoff, zum Beispiel mit Schmerzmitteln wie Diclofenac. Wir haben uns bei unserer Suche und Auswertung auf Untersuchungen konzentriert, in denen die Probandinnen und Probanden nach dem Zufallsprinzip, also randomisiert, „ihren“ jeweiligen Gruppen zugeteilt wurden.

Gefunden haben wir Untersuchungen zur Wirksamkeit von Beinwell bei Schmerzen im Rücken, Schmerzen durch Kniearthrose, verstauchtem Fußknöchel und Muskelkater. Wir konnten zu jedem Anwendungsgebiet nur eine Studie identifizieren, jeweils mit Beinwell und einem Scheinmedikament zum Vergleich. Nur beim verstauchten Knöchel waren es zwei Studien, wobei einmal ein Scheinmedikament, das andere Mal eine Diclofenacsalbe als Vergleich diente.

Rückenschmerzen

In die Untersuchung zu Rückenschmerzen [1] wurden 120 Patientinnen und Patienten zwischen 18 und 60 Jahren eingeschlossen. Sie litten unter akuten Rückenschmerzen, bei denen aber keine Ursache wie etwa ein Bandscheibenvorfall erkennbar war, und es gab auch keine Hinweise auf einen schweren Verlauf.

Die Hälfte der Teilnehmenden schmierte fünf Tage lang dreimal täglich eine definierte Menge Beinwellsalbe, die andere Hälfte über den selben Zeitraum eine entsprechende Menge des Scheinmedikaments. Mit der Beinwell-Salbe nahm die Schmerzintensität im Vergleich zum Placebo stärker ab. Ob das für Anwenderinnen und Anwender im Alltag tatsächlich einen Unterschied macht, lässt sich anhand der Angaben in der Publikation jedoch schwer abschätzen.

Hinzu kommt, dass nur relativ wenige Menschen mit Rückenschmerzen untersucht wurden und es aus der Beschreibung der Studie nicht klar wird, ob die zufällige Zuteilung auf die Gruppen tatsächlich zuverlässig war. Das Forschungsteam fand keine Hinweise darauf, dass die Anwendung der Salben mit Beinwell mit Nebenwirkungen verbunden war. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist auch zu beachten, dass eine der Autorinnen auch Mitarbeiterin beim Beinwellsalben-Hersteller ist.

Knieschmerzen

Ähnliche Ergebnisse zeigte auch die Studie zur Anwendung von Beinwell bei Schmerzen aufgrund einer Kniearthrose [2]. Hier nahmen 220 Patientinnen und Patienten mit einem Durchschnittsalter von 58 Jahren teil. Sie hatten wegen ihrer Gelenkbeschwerden zu Beginn der Untersuchung mittelstarke Schmerzen. Sie wendeten drei Wochen lang dreimal täglich entweder die Salbe mit Beinwell oder ein Placebo-Präparat an.

Am Ende der Untersuchung gaben die Teilnehmenden dann die Schmerzintensität für das am stärksten betroffene Kniegelenk an. Mit Placebo berichteten die Patientinnen und Patienten auf einer Skala von 0 bis 100 über eine Schmerzintensität von etwa 80, mit Beinwell von etwa 40. Das entspricht einem spürbaren Unterschied und einem relativ großen Effekt. Allerdings gibt es in der Studienpublikation einige Unklarheiten, und es handelt sich nur um eine einzige Studie mit relativ wenigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Zudem ist eine der Autorinnen Angestellte des Salben-Herstellers.

Nebenwirkungen wurden in der Studie zwar erhoben, jedoch enthält die Studienpublikation keine Details darüber, welche genau aufgetreten sind. Das Forschungsteam konstatierte lediglich, dass es keinen Unterschied zwischen den beiden Gruppen gegeben habe.

Verstauchter Knöchel

Der Nutzen von Beinwell gegen Schmerzen bei einem verstauchten Knöchel wurde in zwei Studien getestet. Die eine ließ 143 Personen Salbe mit Beinwell oder eine wirkstofffreie Salbe testen (4 Mal täglich). Die Behandlung dauerte acht Tage [3].

Statistisch gesehen schnitt die Beinwell-Salbe an den Tagen 1 bis 3 nach der Verletzung zwar statistisch besser ab als das Scheinmedikament. Ob der Unterschied für die Betroffenen jedoch spürbar war, lässt sich nicht eindeutig sagen.

Eingeschränkt ist die Aussagekraft außerdem durch wichtige methodische Mängel [3]: So war es unklar, ob die Teilnehmenden wirklich zufällig auf eine der beiden Gruppen zugeteilt worden waren. Außerdem wussten alle Beteiligten, wer welches Medikament bekommen hatte. Dieses Wissen um die eigene Behandlung, also die Nicht-Verblindung, kann die Einschätzung der Patientinnen und Patienten beeinflussen und das Ergebnis deutlich verzerren.

Dasselbe Problem gibt es auch in der Studie mit dem Diclofenac-Vergleich [4]. 164 Teilnehmerinnen und Teilnehmern testeten Salben entweder mit Beinwell oder mit dem Schmerzmittel Diclofenac für sieben bis acht Tage.

Hier kam das Forschungsteam zwar formal zu dem Schluss, dass Beinwell genauso gut wirkt wie Diclofenac, sicher können wir uns jedoch aufgrund der erwähnten Verzerrungsproblematik nicht sein. Außerdem ist unklar, ob wirklich die Daten aller Teilnehmenden in die Auswertung eingeflossen sind.

Nebenwirkungen wurden in beiden Studien erhoben. In der ersten Studie kam das Forschungsteam zu dem Schluss, dass keines der wenigen aufgetretenen Probleme tatsächlich ursächlich mit der Beinwell-Salbe zusammenhängt [3]. Laut der zweiten Studie besteht möglicherweise ein Zusammenhang mit Hautausschlag [4].

Muskelkater

Vollkommen unzureichend erscheint uns die Untersuchung zum Nutzen von Beinwell bei trainingsbedingten Muskelschmerzen („Muskelkater“) [5]. Im Vergleich zu einer wirkstofffreien Salbe linderte Beinwell nach der Auswertung des Wissenschaftsteams Druck- und Bewegungsschmerzen zwar besser.

Das klingt gut. Jedoch wurde die Ausgangsintensität der Schmerzen ein bis zwei Tage nach dem Training erhoben und der Verlauf nach einmaliger Anwendung der jeweiligen Salbe nur über vier Stunden verfolgt. Mit den gemessenen Daten führte das Forschungsteam viele Auswertungen durch, ohne die dadurch entstehenden statistischen Probleme zu berücksichtigen. Untersucht wurden lediglich 24 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Nebenwirkungen blieben unerwähnt. Hinzu kommt, dass ein Hersteller von Beinwell-Salbe die Untersuchung finanziert hat. Aus diesen Gründen ist diese Studie nicht aussagekräftig.

[1] Oltean (2014)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: eine randomisierte kontrollierte Studie zu Beinwell mit 120 Patientinnen und Patienten
Fragestellung: Verringert eine Salbe mit Beinwell im Vergleich zu einem Placebo Kreuzschmerzen?
Interessenskonflikte: bei der systematischen Übersichtsarbeit keine; bei der eingeschlossenen Einzelstudie ist eine Autorin Angestellte des Herstellers

Oltean H u.a. (2014) Herbal medicine for low-back pain. Cochrane Database Syst Rev, CD004504
Zusammenfassung

[2] Cameron 2013
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: eine randomisierte kontrollierte Studie zu Beinwell mit 220 Patientinnen und Patienten
Fragestellung: Verringert eine Salbe mit Beinwell im Vergleich zu einem Placebo Schmerzen bei Knie-Arthrose?
Interessenskonflikte: keiner laut Autorenteam der systematischen Übersichtsarbeit; bei der eingeschlossenen Einzelstudie ist eine Autorin Angestellte des Herstellers

Cameron M u.a. (2013) Topical herbal therapies for treating osteoarthritis. Cochrane Database Syst Rev, CD010538
Zusammenfassung

[3] Bleakley 2008
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: für unsere Fragestellung eine randomisierte kontrollierte Studie mit 143 Teilnehmerinnen und Teilnehmern
Fragestellung: Verringert Beinwell-Salbe im Vergleich zu einem Scheinmedikament Schmerzen nach einer akuten Knöchel-Zerrung?
Interessenskonflikte: keine Angabe von den Autorinnen und Autoren der systematischen Übersichtsarbeit; bei der Einzelstudie ist eine Autorin Angestellte des Herstellers

Bleakley C u.a. (2008) Some conservative strategies are effective when added to controlled mobilisation with external support after acute ankle sprain: a systematic review. Aust J Physiother. 2008;54(1):7-20.
Zusammenfassung
Freier Volltext

[4] Predel 2005
Studientyp: randomisierte kontrollierte Studie
Teilnehmerinnen und Teilnehmer insgesamt: 164 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit akuter Knöchel-Verzerrung
Fragestellung: Ist die Anwendung von Beinwell-Salbe der einer Diclofenac-Salbe im Hinblick auf Schmerzen nicht-unterlegen?
Interessenskonflikte: Eine Autorin ist Angestellte des Herstellers

Predel HG, Giannetti B, Koll R, Bulitta M, Staiger C. Efficacy of a comfrey
root extract ointment in comparison to a diclofenac gel in the treatment of ankle distortions: results of an observer-blind, randomized, multicenter study.
Phytomedicine. 2005 Nov;12(10):707-14.
Zusammenfassung

[5] Uebelhack 2014
Studientyp: randomisierte kontrollierte Studie
Teilnehmer insgesamt: 24 Probandinnen und Probanden mit trainingsbedingten Muskelschmerzen
Fragestellung: Lindert eine Beinwell-Salbe Druckschmerz und Bewegungsschmerz besser als Placebo?
Interessenskonflikte: Keine Angaben das Wissenschaftsteams. Laut Studienregister hat der Hersteller des Prüfpräparats die Studie gesponsert.

Uebelhack R u.a. (2014) Comfrey herbal extract cream for pain relief in training-induced muscle pain – A randomized, placebo-controlled study. Journal für Pharmakologie und Therapie, 23, 3-11

Weitere wissenschaftliche Quellen

[6] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
Verstauchung des Sprunggelenks (2014)
(abgerufen am 5.4.2018)

[7] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
Rücken- und Kreuzschmerzen (2015)
(abgerufen am 3.4.2018)

[8] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
Arthrose (2014)
(abgerufen am 3.4.2018)

[9] Committee on Herbal Medicinal Products
Assessment report on Symphytum officinale L., radix.
(abgerufen am 3.4.2018)

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