Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Grüner Tee: kein Anti-Krebs-Wunder

Grüner Tee schützt angeblich vor Krebs. Eine Zusammenfassung bisheriger Studienergebnisse deutet jedoch darauf hin, dass an dem Mythos nichts dran ist.

AutorIn:
Review:  Claudia Christof 

Kann grüner Tee die Wahrscheinlichkeit verringern, an Krebs zu sterben?

Die Ergebnisse bisheriger Studien deuten darauf hin, dass grüner Tee nicht das Risiko verringern kann, an Krebs zu sterben.

so arbeiten wir
© Kasiam - iStockphoto.com Grüner Tee als Hoffnung gegen Krebs?
© Kasiam – iStockphoto.com

Viel wurde bereits über die angeblich krebsvorbeugende oder heilende Eigenschaft von grünem Tee geschrieben. So soll beispielsweise ein schottisches Forscherteam Erfolg mit dem aus Grüntee-Extrakt gewonnen Wirkstoff Epigallocatechingallat gehabt haben [1]. Allerdings handelte es sich dabei um einen Tierversuch mit Mäusen, ein Teil der Ergebnisse entstammt überhaupt nur Erkenntnissen aus dem Reagenzglas.

Krebsheilung durch Grüntee fragwürdig

Tatsächlich liefern einige Laborexperimente Indizien dafür, dass bestimmte Inhaltsstoffe aus grünem Tee bei der Bekämpfung von Krebszellen hilfreich sein könnten. Ein Drittel der aus grünem Tee extrahierbaren Stoffe sind sogenannte Catechine, zu denen auch das erwähnte Epigallocatechingallat zählt. Zumindest im Reagenzglas zeigten diese Stoffe zahlreiche vielversprechende Eigenschaften, die die Forscher eine Anti-Krebs-Wirkung vermuten lassen [2].

Von Experimenten mit Reagenzschalen, in denen isoliert im Labor Krebszellen wachsen, lässt sich jedoch nicht direkt auf die Wirkung beim Menschen schließen. Dies gilt auch für die Ergebnisse von Versuchen an Mäusen.

Eine umfangreiche Suche in wissenschaftlichen Datenbanken nach klinischen Studien an menschlichen Krebspatienten fördert nur wenig Aussagekräftiges zutage. Insgesamt gerade einmal vier Untersuchungen [3-6] an durchschnittlich je 50 Patienten lassen schon aufgrund der geringen Teilnehmerzahlen nur bedingt Rückschlüsse auf die Wirksamkeit von Grüntee-Inhaltsstoffen zu. Ob sich Extrakte aus grünem Tee zur Krebsbehandlung eignen, lässt sich aus ihren Ergebnissen nicht beantworten.

Eher kein Vorbeuge-Effekt

Theorien zufolge soll das aus Asien stammende Aufgussgetränk Krebs jedoch gar nicht erst entstehen lassen. Um das zu überprüfen, haben zahlreiche Forschergruppen in Langzeit-Studien eine große Anzahl an Grüntee-Trinkern beobachtet. Dabei versuchten sie zu ermitteln, ob die getrunkene Menge an Grüntee mit dem Krebsrisiko zusammenhängt.

Bisher war das Bild aus solchen Studien verwirrend und widersprüchlich, viele der Untersuchungen beschränkten sich nur auf einzelne Krebsarten wie beispielsweise im Verdauungstrakt, der Prostata, der Lunge oder der Harnblase. In manchen Studien zeigte sich tatsächlich eine leicht verringerte Erkrankungswahrscheinlichkeit, andere Untersuchungen legten aber sogar ein erhöhtes Krebsrisiko durch den Konsum von grünem Tee nahe. Einzig bei Leberkrebs scheinen die Beobachtungsergebnisse konsistent: Vieltrinker von grünem Tee scheinen seltener an dieser Krebsform zu erkranken als Wenigtrinker [2][7].

Eine aktuellere Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2015 fasst nur jene Studien zusammen, die nicht bloß Erkrankungsfälle zu einzelnen Krebsunterarten untersuchten, sondern Todesfälle durch sämtliche Krebsformen erfassten. Das Ergebnis sorgt für ernüchternde Klarheit: Menschen, die regelmäßig große Mengen an Grüntee trinken, versterben in Summe ähnlich häufig an irgendeiner Art von Krebs wie Personen, die grünen Tee kaum anrühren [8].

Interessant ist jedoch, dass die Teilnehmer in den analysierten Studien in Summe eine geringere Wahrscheinlichkeit hatten, frühzeitig aus anderen Gründen wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu versterben. Medizin-Transparent.at hat dazu bereits berichtet.

Nicht völlig gesichert

Dass selbst große Mengen grüner Tee keinen Einfluss auf das Krebsrisiko haben, ist zwar eher wahrscheinlich, aber nicht völlig gesichert. Der Grund dafür liegt im Studiendesign. Es handelt sich um Beobachtungsstudien, bei denen die Forscher nicht ausschließen können, dass möglicherweise andere Einflüsse eine theoretisch krebsvorbeugende Wirkung mindern.

Sollten Grüntee-Liebhaber beispielsweise deutlich ungesünder leben als Grüntee-Verächter, würde das die Ergebnisse verzerren. Ein solcher Einfluss ließe sich in Beobachtungsstudien allerdings nicht zur Gänze herausrechnen. Dazu bräuchte es kontrollierte, klinische Studien, in denen die Teilnehmer per Zufall einer von zwei Gruppen zugelost würden. Eine der Gruppen bekäme von den Forschern täglich Grüntee vorgesetzt, während die andere Gruppe zum Vergleich einen anderen Tee trinken müsste. Erst wenn sich dann nach längerer Zeit kein Unterschied in der Krebsrate zwischen den Gruppen zeigte, wäre die vorbeugende Wirkung von Grüntee eindeutig widerlegt. Das gilt umgekehrt auch für die mögliche Eigenschaft von grünem Tee, einem frühzeitigen Tod etwa durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen.

In Maßen unbedenklich

Auch wenn der Nutzen von Grüntee gegen Krebs fraglich ist, deutet – bei moderatem Konsum von einigen Tassen am Tag – nichts auf eine gesundheitsbeeinträchtigende Wirkung hin [2]. Lungenkrebspatienten, die eine Chemotherapie mit dem Wirkstoff Bortezomib erhalten, sollten allerdings vorsichtig sein – es gibt Hinweise auf mögliche unerwünschte Wechselwirkungen mit grünem Tee [9].

Anders sieht es bei Grüntee-Extrakt aus. Kapseln mit einer Dosis von mehr als 250 – 300 mg können s aufgrund des hohen Gehalts an Koffein zu Schlafstörungen und Herzrhythmusstörungen führen. Mengen, die etwa 5 bis 6 Litern Grüntee pro Tag entsprechen, können Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Verdauungsstörungen bewirken. Bei solch hohen Mengen kann es auch zu Benommenheit, Müdigkeit oder starker Erregtheit bis hin zu Leberproblemen [10] und Gelbsucht kommen.

Die Studien im Detail

Die Wirksamkeit von Grüntee-Extrakt zur Behandlung von Krebs wurde bisher in vier klinischen und kontrollierten Studien untersucht. Deren Ergebnisse sind allerdings schon aufgrund der geringen Teilnehmerzahl von je rund 50 Krebspatienten nur bedingt auussagekräftig. In einer dieser Studien erhielten Patientinnen mit Vorstufen von Muttermund-Krebs (Cervix-Karzinom) 12 Wochen lang Grüntee-Extrakt in Kapselform oder als Salbe [3]. Bei manchen der behandelten Patientinnen gingen die Krebsvorstufen zwar wieder zurück – ob dies aber auch ohne Behandlung passiert wäre, können die Studienautoren nicht beantworten.

Die Verfasser einer weiteren kleinen Studie untersuchten die Auswirkung von Kapseln mit Catechinen aus Grüntee auf Prostatakrebs-Vorstufen [4]. Bei denjenigen Versuchsteilnehmern, die ein Jahr lang täglich diese Kapseln eingenommen hatten, entwickelte sich seltener Krebs aus den Vorstufen als bei der Vergleichsgruppe. Um auf die Wirksamkeit der Catechin-Mischung, auf die einer der Studienautoren ein Patent hält, zu vertrauen, wäre allerdings eine Studie an einer deutlich größeren Patientenzahl vonnöten. In einer anderen Untersuchung an Patienten mit tatsächlichem Prostatakrebs fand sich – zumindest über den kurzen Zeitraum von 3 bis 6 Wochen – kein solcher Effekt [5].

Auch in der vierten Untersuchung an Patienten mit Krebsvorstufen in der Mundhöhle scheint Grüntee-Extrakt das Fortschreiten zu einer bösartigen Krebsform nicht verhindern zu können [6]. Doch ohne die Wirkung an deutlich mehr Patienten und über einen längeren Zeitraum zu untersuchen, lässt sich keine Aussage über die Wirksamkeit des Extrakts treffen.

Vorbeugende Wirkung nicht endgültig widerlegt

In einer systematischen Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2015 fassten die Autoren die Ergebnisse von sechs bis dahin veröffentlichten Kohortenstudien zusammen. Die Meta-Analyse zeigt, dass der Konsum von großen Mengen Grüntee nicht mit der Wahrscheinlichkeit zusammenhängt, seltener an Krebs zu sterben [8]. In diesem Ergebnis unterscheiden sich die einzelnen, analysierten Studien zwar nicht wesentlich voneinander, dennoch lässt sich die propagierte vorbeugende Wirkung noch nicht endgültig widerlegen.

Der Grund ist das Studiendesign, Kohortenstudien können nie mit Sicherheit ausschließen, dass unbekannte Einflussfaktoren wie etwa der Lebensstil das Ergebnis verzerren.

Frühere Analysen von Studien waren nur von beschränkter Aussagekraft. Der Grund war, dass sie nur die Auswirkung auf einzelne Krebsformen betrachtet haben. Zudem haben sie statt der Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu sterben nur das Erkrankungsrisiko untersucht. Die Ergebnisse waren alles andere als eindeutig, das zeigt eine 2009 veröffentlichte systematische Übersichtsarbeit von Cochrane über 51 Studien an insgesamt über einer Million Teilnehmer [2] genauso wie eine 2012 erschienene systematische Übersichtsarbeit [7].

[1] Lemarié u.a. (2012)
Studientyp: Laborstudie im Reagenzglas und an Mäusen
Fragestellung: Können spezielle Nanopartikel, die mit dem Wirkstoff Epigallocatechin-3-Gallat aus grünem Tee beladen sind, das Wachstum von Krebszellen in Mäusen und im Reagenzglas eindämmen?
Mögliche Interessenskonflikte: keine Angabe

Titel: „Antitumor activity of the tea polyphenol epigallocatechin-3-gallate encapsulated in targeted vesicles after intravenous administration. Nanomedicine (Lond). 2012 Aug 14. (Zusammenfassung der Studie)

[2] Boehm u.a. (2009)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit der Cochrane-Collaboration
Eingeschlossene Studien: 51 (1 randomisiert-kontrollierte Studie, 27 Fall-Kontroll-Studien und 23 Kohortenstudien)
Teilnehmer insgesamt: 1.236.687 Teilnehmer (60 in der randomisiert-kontrollierten Studie, 86.685 in Fall-Kontroll-Studien und 1.149.942 in Kohortenstudien)
Mögliche Interessenskonflikte: keine angegeben
Fragestellung: Schützt der regelmäßige Konsum von grünem Tee oder von Präparaten mit Grüntee-Konzentrat vor Krebs?

Titel: „Green tea (Camellia sinensis) for the prevention of cancer“. Cochrane Database of Systematic Reviews 2009, Issue 3. Art. No.: CD005004. (Zusammenfasung der Studie)

[3] Ahn u.a. (2003)
Studientyp: Kontrollierte Studie
Studiendauer: 12 Wochen
Teilnehmerinnen: 51 Frauen mit Vorstufen eines Cervix-Karzinoms
Fragestellung: Können verschiedene Grüntee-Extrakte entweder in Salbenform oder als einzunehmende Kapsel Vorstufen eines Cervix-Karzinoms bekämpfen?
Mögliche Interessenskonflikte: keine Angabe

Titel: „Protective effects of green tea extracts (polyphenon E and EGCG) on human cervical lesions“. Eur J Cancer Prev. 2003 Oct;12(5):383-90. (Zusammenfassung der Studie)

[4] Betuzzi u.a. (2006)
Studientyp: Randomisiert-kontrollierte Studie
Studiendauer: 1 Jahr
Teilnehmer: 60 Patienten mit Prostatakrebs-Vorstufen
Fragestellung: Können Kapseln mit Catechinen aus Grüntee-Extrakt die Entwicklung von Prostatakrebs-Vorstufen hin zu Prostakrebs verhindern?
Mögliche Interessenskonflikte: Einer der Autoren erhielt ine Förderung von der Firma Genprofiler Srl, die ein Patent auf eine Grüntee-Catechin-Mischung hält.

Titel: „Chemoprevention of human prostate cancer by oral administration of green tea catechins in volunteers with high-grade prostate intraepithelial neoplasia: a preliminary report from a one-year proof-of-principle study“. Cancer Res. 2006 Jan
15;66(2):1234-40. (Studie in voller Länge)

[5] Nguyen u.a. (2011)
Studientyp: Randomisiert-kontrollierte Studie
Studiendauer: 6 Wochen
Teilnehmer: 50 Männer mit Prostatakrebs
Fragestellung: Können Kapseln mit Grüntee-Extrakt Prostatakrebs-Vorstufen hin zu Prostakrebs verhindern?
Mögliche Interessenskonflikte: Einer der Autoren erhielt eine Förderung von der Firma Genprofiler Srl, die ein Patent auf eine Grüntee-Catechin-Mischung hält.

Titel: „Randomized, double-blind, placebo-controlled trial of polyphenon E in prostate cancer patients before prostatectomy: evaluation of potential chemopreventive activities. Cancer Prev Res (Phila). 2012 Feb;5(2):290-8. (Zusammenfassung der Studie)

[6] Tsao u.a. (2009)
Studientyp: Randomisiert-kontrollierte Studie
Studiendauer: 12 Wochen
Teilnehmer: 41 Patienten mit Krebsvorstufen in der Mundhöhle
Fragestellung: Können Kapseln mit Grüntee-Extrakt Vorstufen von Mundhöhlenkrebs hin zu einer bösartigen Krebsform verhindern?
Mögliche Interessenskonflikte: Finanzierung der Studie durch die Firma En Ltd.

Titel: „Phase II randomized, placebo-controlled trial of green tea extract in patients with
high-risk oral premalignant lesions. Cancer Prev Res (Phila). 2009 Nov;2(11):931-41 (Zusammenfassung der Studie)

[7] Johnson u.a. (2012)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 8 systematische Übersichtsarbeiten (davon zwei zu Krebs)
Fragestellung: Hilft grüner Tee gegen Krebs, Übergewicht und cardiovaskuläre Erkrankungen?
Interessenskonflikte: keine laut Autoren

Johnson R, Bryant S, Huntley AL. Green tea and green tea catechin extracts: an overview of the clinical evidence. Maturitas. 2012 Dec;73(4):280-7.(Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[8] Tang u.a. (2015)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Eingeschlossene Studien: u.a. 6 prospektive Kohortenstudien zu Grüntee & Krebsmortalität
Fragestellung: Senkt grüner beziehungsweise schwarzer Tee das Risiko, an Krebs, Übergewicht oder anderen Todesursachen frühzeitig zu versterben?
Interessenskonflikte: keine laut Autoren
Tang J, Zheng JS, Fang L, Jin Y, Cai W, Li D. Tea consumption and mortality of all cancers, CVD and all causes: a meta-analysis of eighteen prospective cohort studies. Br J Nutr. 2015 Sep 14;114(5):673-83. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

Weitere wissenschaftliche Studien

[9] Fritz H, Seely D, Kennedy DA, Fernandes R, Cooley K, Fergusson D. Green tea and lung cancer: a systematic review. Integr Cancer Ther. 2013 Jan;12(1):7-24.
(Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[10] Dostal u.a. (2015)
Dostal AM, Samavat H, Bedell S, Torkelson C, Wang R, Swenson K, Le C, Wu AH, Ursin G, Yuan JM, Kurzer MS. The safety of green tea extract supplementation in postmenopausal women at risk for breast cancer: results of the Minnesota Green Tea Trial. Food Chem Toxicol. 2015 Sep;83:26-35. (Zusammenfassung der Studie)

Aktualisiert, ursprünglich veröffentlicht am 24.9.2012. Neue Studien [7-9] ändern die Beweislage für die Krebs-vorbeugende Wirkung von Grüntee von „unklar“ auf „möglicherweise nicht“

In über 500 Faktenchecks suchen